Was ist Spiritualität?
Durch zahlreiche Gespräche ist mir aufgefallen, dass viele Menschen den Begriff „Spiritualität“ nicht so richtig einordnen können. Wenn ich manchmal erwähnte, mich interessieren spirituelle Themen, rümpfte der ein oder andere die Nase! Ich wurde plötzlich komisch angeschaut. Warum nur?
Ich fing an mir Gedanken zu machen. Mit was für Augen sieht mich der andere bei dieser Aussage? Was ist das Besondere an dem Begriff „Spiritualität“?
Wodurch ging unsere Spiritualität verloren?
Wenn wir hören, jemand sei spirituell geworden, was sind dann unsere ersten Gedanken? Sowas wie: „Ohje, jetzt dreht er völlig ab!“, oder „Kann die nicht einfach was Normales machen?!“
Vielleicht wurde der Begriff negativ geprägt, da sich die Menschen seltsam verhalten haben, die sich spirituell nannten. Oder sie haben sich so sehr vorbildlich verhalten, dass es auch schon provokant war! So ausgeglichen, so zufrieden, da stimmt doch was nicht!
Klären wir das Wort „Spiritualität“. „Spirit“ bedeutet „Geist“. Der Rest ist gar nicht so einfach, denn der Begriff hat viele verschiedene Auslegungen. So finden wir in wikipedia unter dem Begriff „Spiritualität“ unter anderem:
- Religiosität
- Geistigkeit, geistiges Wesen
- Frömmigkeit
- geistige Orientierung
- Esoterik
- Erwachen, Einsicht, Erkennen
- nicht Ego-Zentriert
Was von alldem ist es denn jetzt? Oder ist es von allem etwas?
Dass wir uns die Frage überhaupt stellen, ist eine sehr moderne Erscheinung. Wir brauchen gar nicht bis zu den Urvölkern zurückzugehen , um zu sehen, wann Spiritualität noch zum Alltag gehörte. In der Generation unserer Großeltern stellte sich niemand die Frage, was denn Spiritualität sei.
Die Menschen waren früher von sich aus spirituell, ohne es so zu benennen! Es war ein alltägliches Verhalten. Es waren ihre Werte. Es gehörte zu ihrem Leben.
Die meisten Menschen gingen in die Kirche, sie beteten. Das war ihr Halt. Sie glaubten an etwas. Es gab keine Medien, keine moderne Technik, nicht diesen Erfolgsdruck.
Sie hatten mehr Zeit, denn das Leben war langsamer. Man ging zu Fuß und konnte Gedanken verarbeiten, innerlich zur Ruhe kommen.
Die Menschen lebten mit der Natur, sie waren mit ihr verbunden. Man half sich gegenseitig, es gab mehr Zusammenhalt. Sie hörten ihren „Alten“ zu und lernten von diesen. Sie achteten auf Zeichen und Träume. Es war eben eine andere Zeit…
In der modernen Zeit muß es schnell gehen. Heute zählt nur der Erfolg, die Karriere und das Ansehen. Die Werte haben sich in vielen Bereichen verändert. Was unsere Großeltern und Eltern für wichtig hielten und uns lehren wollten, wurde bestenfalls belächelt.
Wir nehmen uns nicht mehr die Zeit, den Lärm in unseren Köpfen zur Ruhe zu bringen. Wir sind multimedial vernetzt, aber nicht verbunden.
Und wer glaubt noch, dass es einen Gott gibt in dieser schlechten Welt?
Das Wesentliche im Leben haben wir nach und nach aus den Augen verloren. Wir verlieren uns selbst aus den Augen. Wir rennen irgendwelchen Idealbildern hinterher, die uns von außen vorgegeben werden. Wir lassen uns durch Medien und Werbung manipulieren. Wir vergleichen uns mit anderen, die „mehr“ haben und steigern dadurch unsere Unzufriedenheit.
Die Tendenz ist: Leistung so früh wie möglich! Was lernen unsere Kinder wirklich Wichtiges für`s Leben in den Schulen und von den Medien…? Wie schön wäre es, wenn es in der Schule zum Beispiel das Fach „Soziales Miteinander“ oder das Fach „Besinnung“ gäbe…
Macht sich noch jemand Gedanken um die Frage, was Spiritualität ist und wie man Spiritualität integrieren könnte? Es geht nur um Leistung.
Fehlt uns einfach die Zeit? Ich denke nicht, dass es eine Zeitfrage ist. Zeit für Ruhe zu nehmen macht zwar viel Sinn, denn in der Stille erwachen unsere intuitiven Kräfte, kommen wir näher an unsere Gefühle, kommen uns Lösungen.
Aber Spiritualität ist keine Zeitfrage. Es ist eine Frage der Besinnung!
Wir alle haben ein inneres Gefühl für die wahren Werte. Wir alle wollen im tiefsten Inneren dasselbe erfahren. Wir müssen nur wieder den Blick darauf lenken. Wir tragen das Spirituelle alle in uns!
Spiritualität ist das, was der Mensch schon immer aus seinem Herzen heraus für richtig und gut empfunden hat:
Gerechtigkeit, Liebe, Aufrichtigkeit, Hilfsbereitschaft, Respekt, Verbundenheit, Glaube an eine positive Macht, Vertrauen.
Steve Jobs, Mitbegründer von Apple, sagte etwas Hochspirituelles kurz vor seinem Tod: „…Das Wichtigste: Folgt eurem Herzen und eurer Intuition, sie wissen bereits, was ihr wirklich werden wollt.“
Unser Alltag fordert uns. Trotzdem können wir uns auch im Alltag in einem Moment besinnen. Es ist nur eine kurze Entscheidung! Es sind Kleinigkeiten!
Beispiele: Wir halten einer älteren Person die Tür auf, wir erklären unseren Kindern, dass man Ameisen nicht zertrampelt, wir werfen den Müll nicht achtlos auf die Straße, wir geben dem Bettler ein Geldstück, um ihm zu zeigen, dass wir ihn sehen.
Wir behandeln alle gleich und schauen auf keinen herab, wir fahren nicht schneller als 50km/h in einer Ortschaft aus Respekt. Wir freuen uns mit, wenn es anderen Menschen gut geht, wir sind gut zu Tieren und bewundern die Schönheit der Natur, usw. Es gibt so viele Möglichkeiten, die alle spirituell sind, ohne dass wir es so nennen würden.
Wenn man sich mit spirituellen Themen befasst, befasst man sich im Grunde mit nichts Neuem. Man erinnert sich nur wieder an das Wesentliche, an das Wahre.
Man versucht ein reiferer Mensch zu werden, sich innerlich zu entwickeln und zu wachsen. Man ist bemüht seine Einsichten umzusetzen und zu verwirklichen. Man vertraut darauf, dass alles, was geschieht, einen Sinn hat.
Dalai Lama sagt, die Grundspiritualität ist Güte, Freundlichkeit, Mitgefühl und liebevolle Zuwendung.
Das ist Spiritualität.
Es ist also nichts Fremdes. Es ist unser eigentlicher Kern. Je mehr Menschen sich darüber klar werden, dass sie nur auf ihr Herz hören müssen, desto spiritueller kann unsere Welt werden.
Abschließend möchte ich die bewunderswerte Bahar Yilmaz, Spirituelle Trainerin und Autorin, zitieren: